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Mythos Minze!
Wundermittel oder überbewertetes Produkt?
Von Susann Simon
Die Minze – ein Mythos der Antike und der Moderne. Ein sagenumwobenes Kraut, das einen globalen Siegeszug antrat, um heute Frische in alle Munde zu bringen. Eine uralte Kulturpflanze, deren Produkt Menthol heute der meistverkaufte Aromastoff der Welt ist. Doch viele bemerkenswerte Facetten dieser Pflanze sind zum Teil in Vergessenheit geraten – und warten darauf, wiederentdeckt zu werden. Was ist Mythos und was ist Wahrheit? Was kann die Minze?
HADES HAT ES NICHT LEICHT
Weil keine Göttin freiwillig mit ihm in seine Unterwelt ziehen will, raubt Hades, der griechische Totengott, kurzerhand die Göttin Persephone und macht sie sich zur Ehefrau. Diese erweist sich allerdings berechtigterweise als äußerst eifersüchtig: Der notorische Fremdgänger will wieder einmal außerhalb der Ehe seine sexuelle Begierde stillen, diesmal mit der Nymphe Minthe, doch Persephone verwandelt die Nebenbuhlerin kurzerhand in ein duftendes Kraut.
Die Geschichte der Nymphe Minthe wird auf viele Arten erzählt: Mal mehr und mal weniger schlüpfrig, mal grausam, mal romantisch. Doch stets findet der süße, aromatische und balsamierende Duft Erwähnung, der von jener Pflanze ausgeht, in die die junge Frau verwandelt wird. Und deren Gattungsname bis heute an die Nymphe erinnert: Mentha (lateinisch), mint (englisch) oder Minze (deutsch).
Die Minze ist eine auf den ersten Blick eher unscheinbare Pflanzengattung: Man kann höchstens ihre schlichte Schönheit loben. Das Einzigartige des Gewächses lässt sich allerdings auch schwer mit dem Auge erfassen – es muss vielmehr geschmeckt und gerochen werden. Denn sie hat einen unverkennbaren, oft scharfen, manchmal süßlichen Duft und Geschmack, der als kühlend empfunden wird – und der uns heutzutage überall begegnet: Tees, Duftsprays, Bonbons und Kaugummis, Arzneimittel und Kosmetik, Mundhygiene und Reinigungsmittel sind nur eine Auswahl von Produkten, die auf Minze und Menthol setzen – und beim Verbraucher sofort Assoziation von Frische und Sauberkeit hervorrufen. Doch warum erhält dieses Kraut solch eine Aufmerksamkeit? Was ist Mythos und was ist Wahrheit? Was kann die Minze?
WAS IST MINZE?
Minze ist ein sogenanntes Lippenblütengewächs und vor allem auf der Nordhalbkugel verbreitet. Die Minze lässt sich leicht kreuzen – für eine Kulturpflanze eine perfekte Eigenschaft, die bis heute schon um die 30 Minzarten hervorgebracht hat . Schon im Jahr 812 begann der organisierte Anbau von Minze: Karl der Große befahl den Anbau von vier Minzsorten in jedem Garten des großen Frankenreichs. Den Aromastoffen der Minze wurden vielfältige Wirkungen zugeschrieben. Der bekannteste dieser ätherischen Stoffe der Minze (auch „Öle“ genannt, obwohl sie kein Fett enthalten!) ist das Menthol. Seine Dominanz verleiht insbesondere der Pfefferminze ihre Schärfe. In Minzsorten wie der Ananasminze oder der Schokoladenminze kommen andere Aromen stärker zur Geltung.
„Die aphrodisierende Wirkung wird schon von Aristoteles gepriesen.“
HILFT MINZE BEI DER LIEBE?
Ihren Namen hat die Minze also durch einen verhinderten Liebesakt erhalten – doch eine aphrodisierende Wirkung von Minze wird schon von Aristoteles gepriesen. Aphrodisiaka sind Stoffe, die die Lust stimulieren – und werden schon lange bevor es blaue Pillen von Pharmafirmen gab von Liebenden verwendet. Minze fördert die Durchblutung, wodurch das körperliche Empfinden gesteigert wird und Berührungen intensiver empfunden werden. Minze kann daher ähnlich wie Muskatnuss oder Cayennepfeffer durchaus als Aphrodisiakum bezeichnet werden. So ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass im alten Griechenland Männer am Tage ihrer Hochzeit einen Kranz aus Minze trugen – als Zeichen der leidenschaftlichen Liebe. Und wohl auch, weil die Minze im Ruf Stand, die schlimmen Wirkungen eines Alkoholkaters zu mildern.
HILFT MINZE BEI MUNDGERUCH?
Bei starkem Mundgeruch nützt jedoch auch das stärkste Aphrodisiakum nichts mehr. Oft sind Fäulnisbakterien die Ursache, weil sie übelriechende Schwefelverbindungen freisetzen. Dagegen gibt es eine Vielzahl von natürlichen Hausmitteln wie Fenchel, Anis, Kümmel, Nelken oder eben auch Minze. Sie können bei akutem Mundgeruch gekaut, gelutscht oder getrunken werden, weil sie antibakteriell wirken. Im Altertum war allerdings vor allem der Kardamom beliebt: Kardamom-Samen wurden wie heute Kaugummis verwendet. Umso erstaunlicher, dass wir heute einen frischen Atem hauptsächlich mit Minze in Verbindung bringen. Einige Gründe für das moderne Monopol der Minze auf frischen Atem gibt es im Weiteren.
KÜHLT DIE MINZE?
Diese Frage können wir mit einem klaren Jain beantworten. Eis kühlt den Körper, weil es einer wärmeren Umgebung Energie entzieht. Wenn wir in eine Badewanne voll mit Eis steigen, entzieht es unserem Körper Wärmeenergie und senkt dadurch die Körpertemperatur tatsächlich. Minze hingegen wird nur als kühlend empfunden. Menthol stimuliert dieselben Rezeptoren, mit denen wir Kälte empfinden – nämlich die sogenannten TRPM8-Rezeptoren. Durch Kälte und durch den Botenstoff Menthol wird der TRPM8-Ionenkanal stimuliert, ein Ionenfluss wird in Gang gesetzt und der erzeugte Spannungsunterschied feuert einen elektrischen Reiz über das Rückenmark ins Gehirn. Für den Menschen ein eindeutiges Signal: Kälte. Aufgrund dieses Kälteempfindens verbinden wir Minze sofort mit Frische, wenn wir sie riechen, schmecken oder auch nur an sie denken – und liegen dabei im Grunde nur dem Gauklertrick einer uralten Kulturpflanze auf. Ein Trick, mit dem sich die Minze den Siegeszug in eine breite Produktpalette ebnete: Die Wahrnehmung von Frische machen sich Kaugummi, Hustenbonbons, Zahncreme, Kosmetik, Medikamente und vieles mehr zu Nutze, weil sie ihre Hauptfunktion emotional und sensuell unterfüttern. Die Kühle und Frische, die wir empfinden, scheint die Heilung unseres Hustenreizes oder die Reinigung unserer Zähne und unserer Haut zu bestätigen und zu unterstützen. Doch hat die Minze tatsächlich eine reinigende oder heilende Wirkung?
REINIGT DIE MINZE?
Schon der römische Dichter Ovid beschreibt eine reinigende Wirkung der Minze: Dort bereitet ein altes Ehepaar zwei fremden Wanderern ein Essen – sie säubern dafür den Tisch mit Minze. Aber die beiden Wanderer sind Götter in Menschengestalt und verwandeln die Hütte der Alten zum Dank in einen Palast. Die Minze wurde so zum Symbol der Gastfreundschaft – und bekannt als Putzmittel. Doch wie verhält es sich tatsächlich mit ihrer reinigenden Wirkung?
Die Minze hat nachgewiesenermaßen eine keimhemmende Wirkung. Denn Menthol ist chemisch gesehen ein Alkohol und besitzt eine desinfizierende Wirkung, weil es Bakterien tötet. Der Einsatz von Menthol in Zahnpasta und Reinigungslotionen hat daher durchaus einen Sinn. Doch wird es kaum in solch hoher Dosierung eingesetzt, dass es wirklich reinigend wirkt. Denn hochdosiert würde sich die Frische bald in ein kaum zu ertragendes brennendes Gefühl verwandeln. Weitaus milder und verträglicher sind dagegen die ebenfalls keimhemmenden Naturprodukte wie Zimt, Rosmarin, Thymian, Salbei, Kümmel oder Koriander.
„Seit Jahrtausenden ist Minze als Heilkraut bekannt.“
HEILT MINZE KRANKHEITEN?
Traditionell wird Minze bei Magen-und Darmbeschwerden, Gallenleiden, Atemwegserkrankungen und Kopf- sowie Muskelschmerzen innerlich und äußerlich angewandt – ihr werden antibakterielle, antivirale, schmerzstillende, kräftigende, krampflösende und gallentreibende Wirkungen zugeschrieben. Minzöl ist das wohl bekannteste und bewährte Mittel bei Husten, Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen – und ein tatsächlicher Gewinn für jede Hausapotheke: Bei akuten Atemwegsproblemen, Schmerzen und niedrigem Blutdruck verspricht das darin enthaltene konzentrierte Menthol tatsächlich schnelle Linderung: Es lindert zum Beispiel akute Kopfschmerzen weil es durch die Weiterleitung des Kältereizes zu einer Blockade des Schmerzreizes kommt. Insbesondere in der Aromatherapie finden Menthol und andere ätherischen Öle heute ihre Anwendung – und neuere molekularbiologische Forschung scheint zu bestätigen, dass Duftstoffe wie Menthol tatsächlich messbare Wirkungen auf Zellen und Gehirnaktivität haben. Doch die Schulmedizin warnt auch vor dem Minzöl – so darf es nicht bei Kinderhusten eingesetzt werden, da es Spasmen verursachen kann. Zudem scheint das Öl bei längerer Einnahme Niere und Leber übermäßig zu beanspruchen. Die Minze wirkt, sollte aber in jedem Fall bewusst angewendet werden – egal ob man nun der Naturheilkunde Glauben schenkt oder auch den schulmedizinischen Argumenten folgt.
MACHT MINZE STARK?
Abseits medizinischer Fachliteratur muss man diese Frage unbedingt mit Ja beantworten – zumindest, wenn man Werbung und Popkultur Glauben schenkt: Ein bekannter Hersteller von Lutschpastillen, der darin ein gestrichenes (Über-)Maß an Menthol verwendet, stellt nicht ohne Grund fest: „Sind sie zu stark, bist du zu schwach.“ Gerade die Pfefferminze mit ihrem hohen Mentholgehalt von bis zu 45 Prozent ist mehr als eine Pflanze, sie ist ein Symbol für Stärke, mit dem sich vor allem auch Mädchen identifizieren. So heißt das nachweislich stärkste Mädchen der Welt nicht umsonst Pippilotta Viktualia Rollgardina Pepperminta Efraims Tochter Langstrumpf. Und Charles M. Schulz, Erfinder der Peanuts, fiel für einen seiner beliebtesten Charaktere der Name Peppermint Patty ein, als er auf seinem Schreibtisch ein Glas mit Süßigkeiten erblickte. Peppermint Patty zeigte von nun an ihre Zuneigung zu Charlie Brown, indem sie ihm den Football immer wieder im entscheidenden Moment unter den Füssen wegzog – und wurde zur Ikone der Frauenbewegung in den 60er Jahren. Damit ist klar: Minze macht stark.
SCHMECKT DIE MINZE?
Sowohl als auch. Denn Menthol wirkt in hoher Dosierung als geschmackliche Planierraupe: Sicherlich kann jeder von dem befremdlichen Geschmackserlebnis berichten, gleich nach dem Menthol gesättigten Zähneputzen am Morgen einen Orangensaft zu trinken. Doch natürliche Minze besitzt eine Vielzahl von Geschmacksstoffen, die sich am Gaumen entfalten, ohne das enthaltene Menthol zu dominant werden zu lassen. Minze ist daher in vielen Kulturen ein fester Bestandteil der Küche. Fleisch, insbesondere Lamm, wird in der indischen Küche wunderbar mit Minze verarbeitet. Und sogar Minzsoße wird inzwischen entgegen dem Vorurteil gegenüber der Küche des einstigen Kolonialisten Großbritanniens etwas dezenter abgeschmeckt und als köstliches Gericht geschätzt. Minze ist zudem ein fester Bestandteil der nordafrikanischen Küche, und bereichert mit seiner erfrischenden Wirkung Joghurtsoßen und Couscous. Aber auch Thai-Minze ist mittlerweile eine beliebte und würzende Beilage. Weltweit geht die Minze zudem Liaisons mit Zucker und Schokolade ein, um Frische und Würze in Süßspeisen zu bringen.
Fast noch verbreiteter ist Minze aber in Getränken: In orientalischen Ländern wird schwarzer Tee mit Minze gewürzt und ob seiner erfrischenden Wirkung an heißen Tagen genossen – auch wenn Minztee hierzulande eher mit der Erkältungszeit verbunden wird. Vielen erschließt sich der Sinn von Minze allerdings erst, wenn sie sich mit ihrem alkoholischen Bruder Ethanol verbindet: Mojito ist wohl der bekannteste Cocktail, der auf Minze baut. Eine schöne Überraschung erleben diejenigen, die nach spanischem Vorbild einen nicht zu schlechten Rotwein mit frischer Zitronenlimonade, Eiswürfeln und frischer Minze reichen! Minze ist also weitaus mehr als Colgate und Wrigley’s Spearmint.
„Minze, weltweit meistverkaufter Aromastoff.“
WO IST WIRKLICH MINZE DRIN?
Menthol ist einer der meist verkauften Aromastoffe der Welt und wird seit 1973 auch künstlich hergestellt – so wurde die Minze durch synthetisches Menthol zum weitverbreiteten Convenience-Produkt. Industriementhol wird von Produktdesignern sehr gerne wegen seiner scheinbar erfrischenden und kühlenden Wirkung eigesetzt. Menthol ist omnipräsent. Wir werden von klein auf damit vertraut gemacht und konditioniert: Menthol öffnet in uns eine Tag-Cloud tief verwurzelter Assoziationen: Frische und Sauberkeit, Erkältung und Schmerzlinderung, Gesundheit und Medizin, Zähneputzen und Reinheit. Je hochdosierter und schärfer das synthetische Menthol, desto stärker die eingebildete Wirkung. Doch wer von der Menthol-Inflation genervt oder gelangweilt ist, sollte sich nicht von der Minze abwenden. Es gibt genügend Produkte, die mit natürlichem Kräuterextrakt arbeiten und der Minze auf diese Weise ihre Seele zurückgeben.
WAS KANN DIE MINZE?
Die Minze kann mehr als wir denken – und weniger als wir glauben. Sie kühlt nicht wirklich und reinigt nur in Maßen. Doch insbesondere die natürliche Minze besitzt eine Vielzahl von Eigenschaften, die uns je nach Lehrmeinung heilen, unsere Gesundheit fördern oder uns zumindest bei schmerzhaften Symptomen Erleichterung verschaffen. Und abseits des künstlichen Industrieproduktes Menthol eröffnet uns die natürliche Minze ein faszinierendes und facettenreiches Geschmackserlebnis.
Also: Schmeckt, riecht und genießt die Minze – sie ist göttlichen Ursprungs!

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